TGV-POS auf der TGV-Est-Strecke von Paris nach Frankfurt, Stuttgart und Zürich

TGV-Est in Stuttgart Hbf – 26.05.2007 © Andre Werske
TGV-Est in der 2. Klasse – 26.05.2007 © Andre Werske
TGV-Est Fahrerarbeitsplatz – 26.05.2007 © Andre Werske

Die TGV-Est-Schnellfahrstrecke

Die Geschichte des TGV-Est muss Ende der Achtziger angefangen haben, denn als am 12. Juni 1990 der französische Verkehrsminister Michel Delbarre Einzelheiten von 14 geplanten Neubaustrecken bekannt gab, stand die Route von Paris nach Straßburg bereits so gut wie fest. Auf der 430 Kilometer langen Neubaustrecke mit Anschlüssen nach Nancy, Reims, Luxemburg sowie einer Weiterführung nach Basel sollte 350 km/h schnelles Rollmaterial verkehren. Die Kosten schätzte man damals auf 22 Milliarden Französische Francs. Durch Hochrechnungen ging man von etwa 14,5 Millionen Reisenden pro Jahr aus.

Ein weiterer Meilenstein war das Jahr 1992, als Frankreich und Deutschland mit einer Staatsvereinbarung die Realisierung der Ausbaumaßnahme „Paris – Ostfrankreich – Südwestdeutschland“ (POS) fixierten. Wichtig war auch der 29. Januar 1999, als ein Abkommen über die Finanzierung und die Linienführung des ersten Teilstücks des TGV Est zwischen Vaires-sur-Marne und Baudrecourt unterzeichnet wurde. Die tatsächlichen Bauarbeiten liefen im Januar 2002 bei Baudrecourt an.

Am 9. Mai 2000 schlossen sich die Deutsche Bahn AG, die französische Staatsbahn SNCF, die Schweizer Bundesbahnen und die Luxemburgischen Staatsbahnen zu einer Projektgesellschaft zusammen. Das Projekt trug den Namen „Rhealys“. Ziel war die Vereinheitlichung und Abstimmung der Fahrpläne, Technik, Fahrwege, Signale und der Fahrzeuge. Ursprünglich war geplant, diese Gesellschaft mit der Inbetriebnahme der TGV-Est-Strecke in eine Betriebsgesellschaft zu überführen, jedoch sprangen die Schweizer Bundesbahnen und die Luxemburgischen Staatsbahnen ab. Von der nun deutsch-französischen Partnerschaft hing die neue Schnellbahnverbindung ab.

Innerhalb von fünf Jahren entstand in Frankreich die vorerst nur rund 300 Kilometer lange Neubaustrecke von Paris bis Baudrecourt. Bis 2016 sollen die restlichen 106 Kilometer der Neubaustrecke bis kurz vor Straßburg für 320 Stundenkilometer realisiert werden, um so eine halbe Stunde Fahrzeit einzusparen. In Deutschland ist man ebenfalls nicht untätig und baut unter anderem die Strecke Richtung Frankfurt am Main für 200 km/h aus. Am 2.2.2005 hatte die SNCF das Betriebskonzept für die Linie TGV Est in Metz vorgelegt. Demnach sollten über diese Strecke 32 Ziele, davon fast ein Drittel im Ausland, direkt mit Paris verbunden werden.

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Das Rollmaterial für die TGV-Est-Strecke

Die Entwicklung der TGV-POS-Züge

Die Gründung der Projektgesellschaft „Rhealys“ erwies sich nicht nur für die finanzielle, sondern auch für die technische Seite als sehr nützlich. Zwar haben sowohl Frankreich als auch Deutschland leistungsfähige Zugsysteme (TGV und ICE), jedoch stellt jede Bahngesellschaft völlig unterschiedliche Anforderungen an die Strecke und die Fahrzeuge. Sollen nur TGV-Züge à la Thalys zum Einsatz kommen? Oder der ICE? Oder ein komplett neuer Zugtyp? In der Tat spielte man mit dem Gedanken, eine neue Fahrzeuggeneration in Auftrag zu geben, die die Vorteile vom TGV und ICE vereint. Dies hätte beispielsweise der High Speed Train Europe sein können. Der knappe Zeitplan und die Unstimmigkeiten zwischen DB und SNCF sorgten dafür, dass der Superzug vorerst wieder in der Schublade verschwand. Man einigte sich auf einen Mischbetrieb von TGV-POS-Zügen mit ICE 3MF-Einheiten. MF steht für „Mehrsystemzug, frankreichtauglich“.

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Technik der TGV-POS-Triebzüge

Im Februar 2003 gab der französische Betreiber SNCF bekannt, 30 TGV-Triebköpfe im Wert von 188 Millionen Euro bei Alstom fertigen zu lassen. Es bestand eine Option für weitere 31 Triebköpfe dieser Bauart. Tatsächlich wurden dann aber nur vier weitere Züge benötigt. Technisch sind sie mit dem TGV-Réseau und TGV-Duplex verwandt und können im Plandienst auch mit diesen TGV-Serien in Traktion fahren. Die neuen Triebköpfe sind Dreisystemfahrzeuge, die sowohl für Frankreich als auch für Deutschland, Luxemburg und die Schweiz geeignet sind. Zudem soll das neue European Rail Traffic Management System (ERTMS) integriert sein. ERTMS beinhaltet nicht nur das Zugbeeinflussungssystem ETCS Level 2, sondern auch die Harmonisierung weiterer Funktionen der Betriebsleit- und Informationssysteme wie Disposition, Kommunikationssysteme und Reisenden-Information. ETCS wird auf der Strecke jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingesetzt. Das aktive Zugleitsystem ist bisher TVM 430. Die Triebköpfe werden mit 15 modernisierten TGV-Réseau-Mittelwagen verbunden. Die frei werdenden TGV-Réseau-Triebköpfe bilden ihrerseits mit fabrikneuen Duplex-Mittelwagen neue Einheiten. Zur Erhöhung der Bremskraft haben im TGV-POS an manchen Drehgestellen Magnetschienenbremsen Einzug gehalten. Erst damit bekamen die Züge am 31. Mai 2007 die Zulassung für das deutsche Streckennetz.

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Die Inneneinrichtung des TGV-POS

Die Mittelwagen haben bereits einige Jahre zwischen TGV-Réseau-Triebköpfen auf der Schiene zugebracht und wurden nun modernisiert. Der bekannte Modedesigner Christian Lacroix gestaltete das völlig neue Innendesign. Die Farben sind sehr kräftig und auffallend. Das Interieur ist aber auch bei weitem moderner als in den bisherigen TGV-Zügen. Die Sitze weisen eine geschwungene Form auf, neuartige Leselampen und Sitzplatzanzeigen sind integriert. In der Bildergalerie kann man sich den Zug von innen und außen im Detail ansehen.

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Versuchs- und Zulassungsfahrten mit ICE 3MF- und TGV-POS-Einheiten

Wie bereits erwähnt, wird die neue Strecke mit TGV- und ICE 3MF-Zügen befahren. Doch zuvor mussten beide Zugtypen für den Einsatz im jeweiligen Ausland zugelassen werden. Der ICE 3MF absolvierte über Jahre hinweg Versuchsfahrten auf französischem Terrain, um eine offizielle Genehmigung von Seiten der SNCF zu erhalten.

Umgekehrt kam ein TGV-POS im Juli 2004 zur technischen Inbetriebnahme auf den Eisenbahn-Testring ins tschechische Velim bei Prag. Dieser Prototyp setzte sich — wie später auch die Serienzüge — aus zwei neu konstruierten Mehrsystem-TGV-Triebköpfen und gebrauchten, aber renovierten und modernisierten TGV-Réseau-Mittelwagen zusammen. Vom 10. bis 12. September 2005 konnten Eisenbahnfreunde den Prototyp, den die Franzosen als TGV Est Européen bezeichnen, im Bahnhof von Straßburg bewundern. Ende November 2005 sollte der Zug auch in Deutschland auf Touren gehen, also Testfahrten unternehmen, um die Zulassung für das deutsche Bahnnetz zu bekommen. Im ersten Halbjahr 2006 war der TGV in vielen Gegenden Deutschlands zu bewundern. Ende Juli 2006 fanden Abnahmefahrten auf der NBS „Nürnberg – Ingolstadt“ statt. Die Garnitur 4401 erreichte dabei 330 km/h. Im März 2007 war der TGV zwischen Stuttgart und München im Testeinsatz.

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TGV-Est im regulären Betrieb

Der Plandienst des TGV-POS wurde am 10. Juni 2007 aufgenommen. Die vorerst nur 10 Züge französischer Bauart fahren von Paris aus zuerst nach Straßburg. Von dort aus geht es weiter über Karlsruhe nach Stuttgart sowie über Mulhouse und Basel nach Zürich. Seit dem 9. Dezember 2007 wird München einmal täglich über Ulm und Stuttgart ans TGV-Netz angebunden.

Die damals nur drei Mehrsystem-ICE-Züge für den Frankreicheinsatz dagegen bedienen die Relation „Paris – Saarbrücken – Kaiserslautern – Mannheim – Frankfurt am Main“. In der Vergangenheit gab es immer wieder Probleme mit dem ICE-Betrieb, was hauptsächlich auf den knappen ICE-3MF-Fuhrpark zurückzuführen ist. Technische Probleme führen immer wieder mangels Ersatz-ICEs zu Zugausfällen. Bereits im April 2009 hatte die DB die Franzosen gebeten, den TGV-POS auch nach Frankfurt rollen zu lassen. Daher verkehrten noch im selben Jahr anstelle zweier ICE 3MF (Nummern 9552 und 9553) ein TGV POS-Paar auf der ICE-Linie 82 „Frankfurt – Saarbrücken – Paris“. Wie lange dieses Provisorium Bestand hatte, ist mir zwar nicht bekannt. Doch zumindest seit Sommer 2011 sind TGV-POS-Züge von und nach Frankfurt fest im Fahrplan integriert. Mittlerweile stehen alle 19 TGV-POS-Züge sowie 6 ICE 3MF zur Verfügung.

Die Fahrzeit von Frankfurt am Main nach Paris mit dem ICE oder TGV beträgt in etwa 3 Stunden 50 Minuten. Von Stuttgart aus dauert die Reise mit dem TGV nach Paris nur 3 Stunden 40 Minuten. Paris ist von Zürich mit dem TGV-POS nur 4 Stunden 34 Minuten entfernt. Diese kurzen Reisezeiten sind ein Verdienst der Neubaustrecke in Frankreich, auf der sowohl die TGV- als auch die ICE-3-Züge mit bis zu 320 km/h dahineilen.

In den ersten zwei Jahren seit Eröffnung des deutsch-französischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs am 10. Juni 2007 haben rund 2,2 Millionen Fahrgäste die schnellen Züge zwischen beiden Ländern genutzt. Rund 55 Prozent der Fahrgäste sind auf der Route von Frankfurt am Main über Mannheim, Kaiserslautern und Saarbrücken nach Paris unterwegs. Den südlichen Ast von München bzw. Stuttgart über Karlsruhe und Straßburg nach Paris nutzen etwa 45 Prozent der Kunden, ist einer Presseinformation der DB zu entnehmen. Weiter hieß es, dass 90 Prozent der Kunden mit der Reise sehr zufrieden oder zufrieden seien, einen Spitzenwert von 92 Prozent gab es für die Freundlichkeit der Teams an Bord.

Weitere Seiten zum TGV-Est

Technische Daten:
Zug- / Baureihenbezeichnung:TGV-Est-Triebköpfe
TGV-Réseau-Mittelwagen
Einsatzland:Frankreich
Hersteller:Alstom
Anzahl der Züge:19 Züge
Anzahl der Züge im Detail:Bestellung von 02/2003: 15 POS-Triebköpfe + 15 TGV-Réseau-Mittelwagen-Kompositionen
Nachbestellung von 4 POS-Triebköpfen, weitere 4 achtteilige Mittelwagenverbünde aus Réseau-Einheiten entnommen.
Zugtyp:Triebzug
Anzahl der Triebköpfe:2 Triebköpfe
Anzahl der Mittelwagen:8 Mittelwagen
Anzahl der Sitzplätze 1. / 2. Klasse / Restaurant:--- / --- / --- (380 insg.)
Inbetriebnahme:10.06.2007
Spurweite:1435 mm
Stromsystem(e):25 kV / 50 Hz (Frankreich)
1,5 kV DC (Frankreich)
15 kV / 16,7 Hz (Deutschland)
Zugleitsystem(e):TVM 430
Crocodile
LZB
Indusi
SIFA
Technisch zugelassene Höchstgeschwindigkeit:320 km/h
Höchstgeschwindigkeit im Plandienst:320 km/h
Motoren:Asynchronmotoren
Antriebsleistung des Zuges:9.280 kW (
9280 kW (bei 25 kV 50 Hz)
6880 kW (bei 15 kV 16,7 Hz)
3680 kW (bei 1.5 V DC) )
Anfahrzugkraft:220 kN
Jakobsdrehgestelle:Ja
Neigetechnik:Nein
Zug fährt auch in Traktion:Ja
Radtyp:Monobloc
Achsformel:Bo'Bo'+2'2'2'2'2'2'2'2'2+Bo'Bo'
Federung:Luftfederung
Achslast (maximal):17 t
Leergewicht:427 t
Zuglänge:200 m

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